In den letzten Monaten habe ich mich ein wenig mit Nordkorea beschäftigt. Zwar möchte ich dort nicht hin, aber als ich hörte, dass Beatrice in diesem Land als Touristin unterwegs war, wollte ich wissen, wie das war und wie das überhaupt funktioniert. Wie kommt man als Tourist nach Nordkorea? Das erklärt dir nun Beatrice Sonntag in ihrem Gastartikel.
Nordkorea ist zugegebenermaßen ein sehr spezielles Reiseziel. Ich liebe die besonderen und ausgefallenen Ziele, muss aber sagen, dass Nordkorea auch für mich eine Herausforderung war. Es gehört wohl zu den Ländern, bei denen man am schlechtesten einschätzen kann, wie die Chancen auf eine Visa-Erteilung stehen. Wer glaubhaft versichert, dass er nur ein stinknormaler Tourist ohne journalistische Ambitionen egal welcher Art ist, hat gute Chancen.
Als ich im Frühjahr 2013 den Antrag stellte, war zunächst ein wenig unklar, ob die Reise überhaupt stattfinden würde, weil Kim Nummer III quasi als Ritual zum Amtsantritt ein wenig mit den Säbeln rasselte. Mit ein paar Atomtests und wüsten Drohungen in alle Himmelsrichtungen wollte er sich auf der politischen Bühne der Welt vorstellen. Zudem musste ich ein wenig bangen, dass die Nordkoreaner mein Pseudonym herausfinden und den Zusammenhang zu meiner Tätigkeit als Hobbyschriftstellerin herstellen.
Beatrice Sonntag in Nordkorea
So kommst du nach Nordkorea
Zunächst einmal muss man eine Agentur finden, die Reisen durch Nordkorea organisiert. In Deutschland gibt es einige wenige Unternehmen, die Pauschalreisen zu horrenden Preisen anbieten. In Asien, vornehmlich in Singapur und China, existieren einige Anbieter und schließlich gibt es eine Agentur in Schweden, die für Europäer Rundreisen organisiert. Meine Wahl fiel auf die Schweden, weil deren Preise nicht allzu übertrieben schienen.
Natürlich arbeiten alle Anbieter weltweit mit der nordkoreanischen KITC (Korea International Tourism Company) zusammen, die vor Ort die Rundreisen plant und durchführt. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Individualtourismus existiert nicht. Es ist überhaupt nur dem Wunsch Nordkoreas nach Devisen zu verdanken, dass Tourismus neuerdings stattfindet. Einfluss auf das Programm haben die ausländischen Vermittleragenturen nicht.
Das Arirang Massengymnastik Festival
Die Regeln in Nordkorea
Meine schwedischen Freunde hatten mir vorab einige Merkblätter zugeschickt, in denen die Prozeduren beschrieben und die etwas ungewöhnlichen Verhaltensregeln für den Aufenthalt im kommunistischen Nordkorea aufgelistet sind. So ist es zum Beispiel verboten, Statuen der Staatsführer nur in Teilen zu fotografieren. Wer den Standbildern der Kims auf dem Foto die Beine oder gar den Kopf abschneidet, der kann wegen des kommunistischen Pendants von Majestätsbeleidigung Schwierigkeiten bekommen. Es wird von allen Besuchern verlangt, sich vor den Statuen Kim Il Sungs und Kim Jong Ils zu verneigen.
Westliche Propagandaliteratur darf nicht ins Land eingeführt werden. Dazu zählt unter anderem auch der Reiseführer über Nordkorea, den ich mir im Vorfeld der Reise zugelegt hatte. In dieser Hetzschrift stehen Informationen über Nordkorea, die der dortigen Regierung und ihrer Auffassung der Wahrheit widersprechen, so zum Beispiel Zahlen wie Kindersterblichkeitsraten, Bruttosozialprodukt und Fakten über das Ryungyong Hotel, die berühmte ewige Bauruine in Pjöngjangs Innenstadt.
Ein Mobiltelefon darf zwar neuerdings mitgeführt werden, wird aber bei der Einreise einer genauen Untersuchung unterzogen. Man kann es genauso gut zu Hause lassen, denn in Nordkorea funktionieren westliche Telefone ohnehin nicht. Jegliche Form von Armut darf nicht fotografiert werden und allzu neugierige oder gar kritische Fragen zur Politik und zur Regierung werden nicht gerne gehört und schon gar nicht einer ernsthaften Antwort gewürdigt.
Der Kumsusan Palast, Mausoleum von Kim Jong Il und Kim Il Sung
Um nun das Visum für Nordkorea zu beantragen muss die Reiseagentur einen Antrag beim jeweiligen Konsulat (für Deutschland in Berlin) sowie bei den Behörden in Nordkorea stellen. Dem vollständig ausgefüllten Antrag mit Foto muss zudem eine unterschriebene Bescheinigung des Arbeitgebers beigefügt werden, in der dieser bestätigt, dass der Antragsteller für ihn arbeitet und in welcher Position. Diese Maßnahme soll verhindern, dass Journalisten inkognito ins Land einreisen. Ein weiteres Formular muss vom Reisenden unterschrieben werden. In diesem verspricht er, die Fotos, die er während seiner Reise nach Nordkorea macht, nur privat zu nutzen. Impfbescheinigungen sind nicht nötig.
Schließlich muss man nur noch den Reisepreis bezahlen, der für eine Rundreise von einer Woche bei etwa 1.500 Euro liegt. In diesem Preis sind Flug oder Zug von und bis Peking, alle Besichtigungen, Hotelübernachtungen und alle Mahlzeiten bereits inbegriffen. Vor Ort muss man also nur noch Geld für Souvenirs einplanen. In Nordkorea gibt es ohnehin keine Geldautomaten. Wer kein Geld mitbringt, der hat dort also auch keine Möglichkeit, sich welches zu besorgen.
So lief die Reise vor Ort ab
Ein sehr beruhigender Satz aus der Reisebroschüre lautet: „Kriminalität gegen Ausländer gibt es nicht.“ Eine sehr kategorische Aussage. Noch nie hat jemand einem Touristen auch nur ein Haar gekrümmt oder einen Kugelschreiber gestohlen. Viel zu groß ist die Angst der Menschen, allein schon in den Verdacht zu geraten, mit einem Fremden in irgendeiner Art von Beziehung zu stehen. Man braucht sich als Tourist also auch keine Hoffnung zu machen, einen Einheimischen kennenzulernen.
Eines von sehr wenigen Privatfahrzeugen in Kaesong
Die einzigen Koreaner, mit denen ich während meiner Reise in einer internationalen Gruppe von acht Personen zu tun hatte, waren unsere beiden Aufpasserinnen bzw. Reiseleiterinnen, der Busfahrer und der Kameramann, die uns rund um die Uhr begleiteten. Wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, 24 Stunden am Tag unter Bewachung zu stehen (was mir offen gestanden nicht gelungen ist), dann hat Nordkorea auf jeden Fall den Vorteil, dass man sich als Tourist hier sehr sicher fühlen kann.
Man hat keinerlei Einfluss auf das Programm während der Rundreise, denn es ändert sich ständig ohne Erklärungen oder ersichtliche Gründe. Unsere Begleiter waren durchweg sehr höflich, zuvorkommend und freundlich. Sie sorgten sich wirklich hervorragend um uns und unsere Bedürfnisse, beantworteten alle Fragen, wenn auch manchmal ausweichend, und taten alles, um unsere Reise zu einem schönen und unvergesslichen Erlebnis zu machen. Unvergesslich war sie auf jeden Fall.
Ich habe in Nordkorea Menschen gesehen, die hauptberuflich weinerliche Reden halten, andere, die auf dem Mittelstreifen einer Autobahn mit einer Nagelschere Gras schnitten, habe die traditionelle Hundesuppe probiert und habe mich vor dem Leichnam eines der schrecklichsten Diktatoren des letzten Jahrhunderts, Kim Jong Il verbeugt. Alles Premieren in meiner Karriere als Weltreisende.
Die leere Autobahn zwischen Kaesong und Pjöngjang
Das Wiedervereinigungsdenkmal am Stadteingang von Pjöngjang
Nordkorea ist ungewöhnlich, manchmal richtiggehend absurd und oft auch ein wenig traurig. Das Land bietet die letzte Möglichkeit, um auf dieser Welt noch zu erleben, wie eine kommunistische Diktatur funktioniert. Nach dem Besuch in dem verschlossensten aller Länder habe ich eine bessere Vorstellung, was Machtmissbrauch anrichten kann und wie sehr man ein Volk manipulieren kann, wenn es keine Presse und keine Opposition gibt. In dieser Hinsicht war meine Reise lehrreich und schockierend. Ich hoffe seither für alle Bewohner von Nordkorea, dass sich bald etwas für sie ändern wird.
Allen meinen Versprechen gegenüber den nordkoreanischen Behörden zum Trotz habe ich ein Buch über meine Erlebnisse in Nordkorea geschrieben. In Asiens letzte Geheimnisse berichte ich so neutral wie es mir möglich war über eine meiner verrücktesten Reisen. Als Kontrastprogramm handelt die zweite Hälfte dieses Buchs von dem friedlichen und glücklichen Königreich Bhutan. Auch wenn es merkwürdig klingt: Ich kann allen, die das Reisen und das Fremde lieben, eine Tour nach Nordkorea empfehlen. Es ist eine einmalige und den Horizont erweiternde Erfahrung.
Beatrice Sonntag ist schon viel herumgekommen. Ganze 94 Länder hat sie mittlerweile bereist. Doch die Reise nach Nordkorea im Sommer 2013 war der verrücktesten. Aktuelle Berichte von Beatrice findet ihr in ihrem Blog www.beatrice-sonntag.de.
Fotos von Beatrice Sonntag